Schöner konnte es gar nicht sein. Bei sonnigem Herbstwetter führte Jörg Lotter eine Gruppe terraplana-Mitglieder und Bekannte durch die Burgruine oberhalb von Seeheim an der Bergstraße, die er wie seine Westentasche kennt.

Anfangs der angesehene Amtssitz des Amtes Seeheim, wurde die Burg eine Ganerbenburg und endete als von den Städten gehasste Raubritterburg, die 1399 zerstört und nicht wiederaufgebaut wurde. 1972 begann der heutige Heimat-und Verschönerungsverein von Seeheim mit unermüdlichem Fleiß und großem Engagement, die Mauern wieder freizulegen und zu befestigen, um sie zu erhalten. Jörg Lotter, Vorstandsmitglied von terraplana, unterstützt den Verein seit einiger Zeit dabei mit Rat und Tat, berät sie bei der sachgemäßen Restaurierung und hält Befunde in Fotos und Zeichnungen fest, bevor sie evtl. wieder verschüttet werden. Dabei gibt es auch immer wieder neue Erkenntnisse durch Funde, die bereits die Ausgräber der Burg unter Ludwig III., Großherzog von Hessen und bei Rhein 1848 übersehen haben.

Einen Plan der Burg bekamen alle Exkursionsteilnehmer, um sich einen Überblick zu verschaffen. So konnte jeder erkennen, dass zwar viele Mauern und Gebäude durch Grabung nachgewiesen und inzwischen gesichert wurden, aber noch etliche Bereiche erforscht werden müssen. Jede Grabung erweitert das Wissen um die Gestalt der Burg und das Leben darin, wirft aber auch ständig neue Fragen auf, die uns Jörg Lotter darstellte.

Die Führung begann am Eingang zur Vorburg. Hier wurde bislang der Haupteingang zur Burg vermutet. Bei einer Grabung im letzten Herbst wurden hier die Schwellensteine sowie die eiserne Buchse zur Führung eines Tores freigelegt - auf der gegenüber liegenden Seite fand sich jedoch keine Buchse und kein Toranschlag im Gemäuer. Sollte ein einflügeliges Tor wirklich der Haupteingang zur Burg sein? Da hatte Jörg einen anderen Vorschlag: Der Haupteingang wäre im Osten unterhalb des "Torwärterhauses" - und dieses Haus hätte wohl auch eine andere Bestimmung gehabt.

In der oberen Etage:Kapelle (die sich oft am oder über dem Haupttor befand) statt der „Kapelle“ in der Hauptburg. Unter der Kapelle haben sich wohl zwei beheizbare Räume befunden: Den Rauchabzug innerhalb einer Wand fand Jörg Lotter bei den Restaurierungsarbeiten; gemusterte Fußbodenkacheln, die bereits 1848 gefunden wurden, deuten auch eher auf eine Priesterwohnung hin als auf einen Wächterraum.

Beim weiteren Rundgang wies Jörg Lotter auf die viel zu dünnen Außenwände des sogenannten „Zwingers“ hin sowie die zu niedrige Auffüllung des Geländes. So ist er sich sicher, dass dies nur Stützmauern und Fundamentreste für eine Randbebauung der Burg aus schmalen Fachwerkhäusern gewesen ist.

In der nördlichen Vorburg konnte jeder in eine kleine Grabung schauen, wo eine Steinschüttung zu sehen war, evtl., um einen trockenen Boden für ein weiteres Gebäude zu gewährleisten. Hier wurden Abfälle aus der Burgküche gefunden wie Knochen, Gefäßscherben, aber auch ein gut erhaltener Schlüssel und ein „Schusser“, eine kleine Tonkugel, die als Geschoss für eine Kugelarmbrust zur Vogeljagd diente – natürlich sind diese Kugeln auch als „Murmeln“ für Kinderspiele benutzt worden.

Vorbei an weiteren Gebäuden der nördlichen Vorburg (hier wurde in einem Gebäude ein Mahlstein für Mehl sowie im Juli 2020 ein Backofen ergraben ) kam man zum Hinterausgang, wo früher wohl die Esel zur nächsten Quelle zum Wasserholen geführt wurden, dann zum Geschütz-Schalenturm, wo Jörg Lotter die letzten dramatischen Tage der Burg Tannenberg schilderte.

An einer Bresche in der Mauer zur Kernburg konnte Jörg Lotter erklären, wie die Mauer nach der Eroberung niedergelegt, „geschleift“ wurde: In die Mauer wurde von außen ein Loch geschlagen: Eine Fallkerbe wie der Keil, den man in einen Baum sägt, wenn er gefällt wird. Dieses Loch wurde mit Balken abgestützt, bis es groß genug war. Dann wurde ein Feuer unter diesen Balken entfacht, welches der Mauer die letzte Stütze nahm und zum Einbruch führte. Eine Holzkohlenschicht unter der Bresche, in die heute ein großer Baum seine Wurzeln gegraben hat, beweist diese Annahme.

In der Kernburg konnten wir die herrliche Aussicht über die Rheinebene bis zum Taunus genießen. Jörg Lotter zeigte noch etliche Funde, die er bei Ausgrabungen in der Burg gemacht hatte, so u.a. Glas von Nuppenbechern, eine Silbermünze (Handheller), Schlüssel, Armbrustbolzen, Ofen- und Bodenkacheln und ein Replikat des Spielsteins aus Elfenbein, der es bis auf die Titelseite des Jahrbuches der hessenARCHÄOLOGIE 2018 gebracht hat.  So kann man zum Abschluss der Exkursion nur sagen: Das war eine sehr informative und interessante Führung und Jörg: Mach weiter so! (Es gibt noch viel zu tun!)

P.S.: Von einer Exkursion 2016 „Auf den Spuren der Bickenbacher“ gibt es eine Informationsbroschüre  über die Geschichte der Burg Tannenberg auf unserer Downloadseite.

 

Text: Brigitte Schmidt

Plan der Tannenberg: Jörg Lotter

Fotos: Dennis Braks und Peter Schmidt