Doch vor dieser sehenswerten Ausstellung besuchten wir unter der sachkundigen Führung von André Madaus wichtige bauliche Reste der Kaiserpfalz, die von Karl dem Großen gegründet wurde. Manche Bauten bzw. Mauern sind nur durch verschieden farbige Pflasterstreifen kenntlich gemacht, wie z.B. eine sehr frühe Kapelle mit drei Apsiden. Andere Bauten haben jedoch noch mehrstöckige hohe Wände. Der Grund dafür ist, dass diese Bauten im Laufe der Jahrhunderte als Außenmauern anderer Gebäude weiterbenutzt wurden. In die Pfalz baute man viele kleinere Häuser hinein, so dass von den großartigen Bauten nichts mehr zu sehen war – bis man vor ca. 20 Jahren begann, die Altstadt zu sanieren, unwichtige Häuser wegriss, Ausgrabungen machte und die noch erhaltenen Pfalzmauern vorbildlich konservierte.

André Madaus führte uns zuerst zu einem frühen Machtort, der „Aula Regia“, einer ehemals riesigen Halle im Stil einer römischer Basilika mit einer erhöhten Apsis: Dort stand bei Konzilen und Reichsversammlungen der Thron des Kaisers , heute symbolisch ein Holzthron – aber in der Ausstellung konnten wir später den sogenannten „Dagobert-Thron“ bestaunen, ein frühkarolingischer zusammenklappbarer Sessel aus vergoldeter Bronze im römischen Stil. Zusammenklappbar war er, weil der König bzw. Kaiser von Pfalz zu Pfalz reiste, um dort Hof zu halten – und da musste der Thron eben mit!

An der Vorhalle der Aula Regia waren Schaukästen mit Fundstücken und Infotafeln angebracht. Besonders eindrucksvoll war für viele eine Art Fernglas, durch das man in die Vergangenheit schauen kann: Die Aula Regia in altem Glanz! Die einst prachtvolle Palastanlage bestand auch aus einem halbrunden Gebäude mit Säulengang, der heutzutage nur noch angedeutet werden konnte (antikes Vorbild dafür waren vielleicht die römischen Trajansmärkte). Hierfür ließen die Erbauer antike Säulen und Kapitelle herschaffen, denn Karl der Große und seine Nachfolger suchten den Vergleich mit Rom und fühlten sich als Nachfolger römischer Kaiser. So musste auch eine Wasserleitung vom 7 km entfernten Mainzer Berg frisches Wasser in die Pfalz leiten: Zu besichtigen war das Ende dieser Leitung als rechteckiges Absetzbecken, in dem man klares Wasser schöpfen konnte. Ca. 300 Jahre nach Baubeginn wurde die ganze Anlage von den Staufern umgebaut und wehrhaft gemacht mit Stadttürmen und Wehrmauern.

Nach dem Rundgang durch die Pfalz (da sollte man noch einmal hin, um noch mehr zu sehen!) besuchten wir die Sonderausstellung im „Kunstforum Ingelheim – Altes Rathaus“ (hier war fotografieren leider verboten). In vier Sälen waren hier Kostbarkeiten zusammengetragen, die aus der Zeit von Karl dem Großen und seinen Nachfolgern stammte und ein Bild der Kunst und Kultur der damaligen Zeit zeigte. Prächtige Steinmetzarbeiten aus dem gesamten Reich waren als Leihgabe nach Ingelheim gebracht worden, aus anderen Pfalzen (z.B. Aachen und Bad Wimpfen) oder aus Kirchen: Eine polierte Porphyrsäule aus Aachen, Chorschranken aus Metz, ein Pfauenrelief aus Brescia, ein Pegasusrelief aus Ingelheim. Einflüsse aus Frankreich, dem Orient und dem langobardischen Stil… Dazu Münzen, Schmuck, Waffen und andere Grabbeigaben und schließlich ausgezeichnete Replikate der Reichsinsignien. Die Originale wurden nicht nur bei Krönungen benutzt, sondern auch an hohen christlichen Feiertagen wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten, wenn sich der Hof auch oft und gerne in Ingelheim aufhielt und anlässlich der Reichs- und Hoftage benutzt zu einem ganz besonderen Ritus: „Unter der Krone gehen“. Hierbei ging der Kaiser in seinem Ornat von Kirche zu Kirche unter Akklamation seines Hofes.

Heute kann man sich diese Prachtentfaltung kaum noch vorstellen! Auf dem Fahrweg zum gemeinsamen Mittagessen kamen wir an der Burgkirche in Oberingelheim vorbei, eine der größten Wehrkirchen Deutschlands. Auch diese Stelle wäre ein Grund, noch einmal Ingelheim zu besuchen!

Ein perfekter Abschluss war dann das Mittagessen in den schönen Räumen eines ehemaligen Klosters.

Text: Brigitte Schmidt

Fotos: Peter Schmidt, Biggi Schroeder